Mittwoch, 16. März 2011

Kerala (Südindien)

Ab in den Süden, der Sonne hinterher……
Wir sind morgens von Delhi bei knapp 10° losgefahren und waren schön warm angezogen. Im Flieger waren es mal wieder Minusgrade. Als wir in Kocchi (Kerala) angekommen sind hat uns fast der Schlag getroffen. Erstens hat es geregnet (hey, wir dachten wir fahren in die Sonne) und zweitens hatte es mindestens 33°. Wir haben uns sofort entpellt und alles abgelegt was irgendwie möglich war, ohne große Aufmerksamkeit zu erregen.
Dann sind wir mit dem Bus nach Fort Kocchi gefahren und haben eigentlich, wie üblich bei indischen Großstädten, eine große, laute, dreckige und unattraktive Stadt erwartet. Fort Kocchi hat uns jedoch genau vom Gegenteil überzeugt. Es ist eine ruhige, süsse und kleine alte portugiesische Fischerstadt mit kleinen schönen Kolonialbauten. Kein Hupen, kaum Dreck, keine aufdringlichen Shopbesitzer
Kein…
Shopbesitzer: „My friend, come to my shop, just looking, looking for free”,
Wir: ”no thank you, we shopped already”
SB: “Please buy one more shirt or whatever”
Wir: “no thank you”
SB:  “maby later?”
Wir: “maby later!”
SB: “ok, promise!?!”
Wir: Sischer! Na klar! MMMhhh!
Das erste Mal Meer in Indien, an der Küste waren überall noch die traditionellen  chinesischen Fischernetze aufgestellt, wo man morgens tollen frischen Fisch kaufen und sich direkt zubereiten lassen konnte. Dementsprechend sah das Meer zwar toll aus, hat aber nicht zum Schwimmen eingeladen. Da Kocchi ehemalige Handelsstadt  von Portugal war, wurde dort die erste christliche Kirche (Santa-Cruz Basilica) auf indischen Boden gebaut.  Da es dort viele Christen gibt und eine „Liebeshochzeit“ möglich ist, sieht man häufiger das ungewohnte Bild von indischen frisch Verliebten. Normalerweise sind zwischengeschlechtliche Berührungen in der Öffentlichkeit absolutes Tabuthema, selbst unter Ehepaaren.






Wir haben uns hier ein traditionelles indisches Theaterstück (Kathakali Theater) angeschaut. Bei diesem Theaterstück wird nicht gesprochen, nur die Mimik und Gestik erzählen die Geschichte. Vor dem Beginn bekommt man eine kurze Einweisung in gewisse Begriffe und das Thema der Geschichte in sämtlichen Sprachen schriftlich. Die Darsteller brauchen jeden Tag 1 ½ Stunden für das Schminken, was öffentlich auf der Bühne stattfindet und jeder zuschauen kann der will. Obwohl wir vorher gelesen haben worum es gehen soll, haben wir überhaupt nichts verstanden, aber egal das Spektakel war spannend genug.



Übernachtet haben wir  in einem tollen indischen Homestay und waren im wohl berühmtesten Restaurant (Dal Roti) gleich nebenan indisch essen. Es war das bisher einzige Restaurant, wo man anstehen musste und auch kein Schmiergeld das Warten verkürzte. Bei unserem zweiten Homestay hat unsere Gastmutter für uns gekocht. Einfach grandios. Da in Indien eigentlich nur Männer arbeiten und die Frauen für die Kinder und den Haushalt zuständig sind, wollten wir unbedingt mal richtig indisch essen. Keine Menükarte und keine Männerküche.  Es gab verschiedenste Curries (Gemüse, Mango, Linsen, Prawns), jede Menge Reis, Tomaten-Gurkensalat mit Zwiebeln und frischem Koriander, Papadam Brot etc. Von jedem reichlich und wahnsinnig lecker, das bisher beste indische, vegetarische Essen. 

Nach drei Tagen sind wir dann mit dem Bus weiter nach Allepey, wo unser Startpunkt für die berühmte Backwaterbootstour lag. Julia war schon übel und hatte Seegang, wenn sie nur daran dachte. Die Tour dauerte 6 ½ Stunden, wovon Julia mind. 4 Std geschlafen hat, dank Stugeron (Antikotztablette). Wir sind durch größere und kleinere Kanäle gefahren, vorbei an schönen Reisplantagen, badenden Kindern, waschenden Frauen, duschenden Männern und erneut einer großen Anzahl von chinesischen Fischernetzen. Unser Ziel war der Ashram von Mata Amritanandamayi, kurz genannt Amma.





Wir haben einen kleinen gemütlichen Tempel mit ein paar wenigen Schlafmöglichkeiten für Touris gedacht, aber von wegen. Am Zielort standen ein 17stöckiges, rosafarbenes und zwei ca. 9 stöckige rosafarbene Hochhäuser mitten im Dschungel.  Ich kam mir vor als wäre „Hello Kitty“ Dauergast. Amma ist die einzige weibliche Guru (oder heisst es Jogurette?) und weltweit berühmt für Ihr soziales Engagement und sie legt sehr viel wert auch Einfachheit. Luxus ist nicht notwendig. Wir haben im 16.Stock in einem spärlich eingerichteten, aber sauberen  Zimmer gewohnt, hatten aber den besten Ausblick. Links direkt das Meer und das Wellenrauschen, rechts die Backwaterkanäle und den Dschungel.  Traumhaft.



Im Ashram ist alles abhängig von freiwilliger Arbeit. Jeder der dort länger bleibt, muss mithelfen, sei es Essen ausgeben, Gebetsräume putzen, oder Werbedrucke (75.000) von A nach B tragen. Es waren unglaublich viel Europäer und Amerikaner,  die dort als Langzeitbesucher wohnten, teilweise sogar seit 8 Jahren. Es gibt einen regelmässigen Tagesablauf mit Morgenmeditation am Strand von 6-7.30 Uhr, von 7.30-9.00 Uhr Yoga, 9-10 Uhr Frühstück, 10-13 Uhr freiwillige Arbeit, 13-14 Uhr Mittagessen, 14-18 Uhr freiwillige Arbeit, 18-20 Uhr Gebet, 20-21.30 Uhr Abendessen. Pro Person hat man 3 Euro gezahlt inklusive Trinken und indisches Essen. Für westliche Küche musste man zahlen, war aber sehr, sehr günstig war. Wir wurden sanft zur freiwilligen Arbeit angefragt, haben uns großspurig bereit erklärt und uns letzten endlich grandios davor gedruckt. Shame on us!!!
Ehrlich gesagt ein paar ordentliche Freaks und Tempelflitzer waren auch dabei. Läusefänger eingeschlossen.  Am schlimmsten war jedoch die erleuchdede Ude (mit haddem D) aus Bamberch.
Namaste und Danyawad.

Mittwoch, 2. März 2011

Menschen in Indien




Menschen in Indien

So wie wir sie bisher erlebt, beobachtet und kennengelernt haben
Es sind ja insgesamt nur knapp 1,4 Milliarden Menschen, die in diesem Land  leben. Die Schere zwischen Arm und Reich ist enorm. Trotzdem hat man das Gefühl, das alt und neu, arm und reich, modern und traditionell sehr harmonisch nebeneinanderher leben können. Man kann eine junge Frau im Sari neben einer, die westlich gekleidet ist ins Gespräch vertieft sehen. Zwischen den permanenten Telefonaten, die hier jeder ständig zu führen haben muss, bleibt Zeit ein kurzes Gebet an einen der vielen Tempel zu richten an dem man gerade vorbeiläuft. Im Norden herrscht noch mehr die Tradition dass die Ehepartner von den Eltern ausgesucht werden. Ich habe mich mit einem 19 jährigen modern gekleidetem Mädchen unterhalten, sie ist in ihrem letzten Schuljahr und will dann  B&E studieren, aber der Junge in den sie verliebt ist muss in einem Monat eine andere heiraten. Aber es ist sehr wichtig den Eltern zu gehorchen.


Trotz so vieler Menschen scheint das soziale System  intakt zu sein.  Ältere gebrechliche Menschen sieht man häufig von jüngeren geführt oder auf irgendeinem fahrbarem Untersatz geschoben. Ältere Geschwister füttern oder tragen ihre jüngeren. Behinderte Menschen sind oft in Begleitung von anderen ,  die Ihnen helfen. In Bussen und U-Bahnen wird aufgestanden und Platz gemacht wenn Ältere einsteigen und zwar reihenweise.
Nur die richtig schweren Arbeiten auf dem Bau zum Beispiel werden gerne den Frauen überlassen.
Insgesamt haben wir Inder als sehr hilfsbereit erlebt. Sei es mit dem Gepäck im Bus, dem 100mal nachfragen um ein bestimmtes Hotel oder sonst etwas zu finden, bei dem schwierigen Procedere beim Packen eines Päckchens auf der Post oder beim Erklären der indischen Speisekarte.
Verwirrend ist dabei häufig die Indien bejahende Geste des Kopfschüttelns, was anfänglich häufig zu der Frage geführt hat: was denn jetzt ja oder nein?
Das mit dem Müll und dem Dreck in Indien bleibt mir ein Rätsel, jeder ist am Fegen, waschen, duschen. Jedes Schulkind schaut wie aus dem Ei gepellt aus. Ich habe noch keinen Sari mit Flecken oder Löchern gesehen. Bei 36° ist das Hemd perfekt gebügelt und nicht die Spur eines Schweissfleckens.  Umso schlimmer ist es wie manche Touristen herumlaufen.



Körperpflege steht hier ganz oben auf der Liste. Man kann Ohren mit Schlüsseln, Brillenbügeln, Kugelschreibern etc.  säubern. Die Ohrhaare sind eh so ein Thema, sie werden hier gerne sehr lang und mit Stolz getragen.



Anscheinend findet der muslimische Anteil der Bevölkerung graue Haare ganz schrecklich, weshalb man häufig ältere Menschen mit rot gefärbten Haaren und Bärten sieht. Es handelt sich hierbei nicht um ein dezentes dunkelrot.




Eine kleine Siesta kann man immer und überall halten, auch wenn es direkt am Strassenrand einer sehr belebten Touristenmeile ist. Kopfkissen sind völlig überbewertet.




Belastungsgrenzen  sind hier auch sehr dehnbar. Fünf Menschen auf einem Moped kein Problem. Die Laster werden so beladen, dass sie so breit werden, dass die Aussenspiegel zwecklos werden.

Wer einen Platz auf dem Dach, oder hinten am Fahrzeug dranhängend ergattert, fährt umsonst.

Fasziniert hat uns die scheinbare Harmonie der Religionen. Der ruhigste Ort an dem wir bisher waren ist Kocchi. Alles scheint langsamer zu laufen dort, der Verkehr, die Uhr einfach alles. Es wird nicht gehupt. Es wird nicht gemeckert wenn man eine Stunde auf sein Essen wartet, es ist der friedlichste Ort, trotz der vielen Menschen überhaupt und es leben dort Juden, Moslems, Christen und Hindis nebeneinander. Ohne Probleme.


Wir haben einen Fischer beobachtet der über Stunden sein kleines Netz in die brandenden Wellen warf, es einholte, es am Strand sortierte und es wieder ins Wasser warf. Die Ausbaute dieser ganzen Mühe war so klein und dennoch machte er weiter, immer die gleichen Bewegungsabläufe und ohne den geringsten Anschein von Frust oder Ärger.


Kleine Kinder und Babys haben mit Kajal schwarzumrandete Augen, nicht als Fliegenschutz sondern als Schutz vor dem bösen Blick anderer.